"Der langsame Tod von Second Life", "Firmen flüchten aus Second Life", "Massenauszug bei Second Life", "Second Life ist tot", oder "Barbie Girls greift Second Life an" - Das sind die Titel einiger der schlagkräftigen, ins Auge fallenden, aber sich inhaltlich immer wieder sehr ähnelnden Pressemitteilungen der letzten Tage.
Ob deutsche, österreichische, oder Schweizer Medien, jeder versucht mit der gleichen Meldung und den Schlagwörtern "Second Life" und "Ende" wenigstens noch ein paar Leser im Sommerloch zu erhaschen. Genau so wie sich wirklich jede Art von Medium bis vor ein paar Wochen auf Linden Labs virtuelle Welt gestürzt und sie in den Himmel gelobt hat, wird jetzt alles von heute auf morgen ins gegenteilige umgewandelt und totgeschrieben. Eine unfaire und unseriöse Verunsicherung von Usern und Unternehmen ist die Folge.
Aber kommen wir einmal zu den Behauptungen. Man braucht sich hier nicht die Mühe machen und jeden Beitrag analysieren, sondern kann die breite Masse an Berichten aufgrund der nahezu gleichen Inhalte zusammenfassend behandeln. Schon das allein zeigt, mit welcher Genauigkeit und Fachkenntnis, diese Redakteure recherchiert haben.
Hätte man das genau gemacht, würde man zum Beispiel nicht behaupten, dass eine Starwood Hotel Kette sich enttäuscht aus Second Life zurückgezogen hat. Dieses Unternehmen hat monatelang ein Hotelkonzept virtuell getestet, um zu erfahren, wie es bei der Zielgruppe ankommt. Dieses Projekt hat Starwood erfolgreich abgeschlossen und das Hotel wird nun auch im wirklichen Leben gebaut.
Dass ein Unternehmen wie American Apparel das Experiment SL aufgibt, ist nur all zu logisch. Mit einer fast schon eintönig und monoton anmutenden Modelinie, dazu noch zu überteuerten Preisen, erreiche ich keinen User der seinen Avatar mit Kleidung personalisieren will. Der Avatar ist die Grundlage von Virtuellen Onlinewelten und User die sich dort länger aufhalten, mögen virtuell nicht so rumlaufen, wie man es im wahren Leben teilweise macht.
Eine vorherige Marktforschung der mehr als kreativen Werke im Bereich Mode, die von den Usern erschaffen wurden, hätte vielleicht schon eher Erleuchtung gebracht.
Ich möchte hiermit auch Mode-Discountern wie Kik, oder Takko davon abraten, eine virtuelle Filiale mit dem üblichen Produktsortiment zu eröffnen.
Genau so wenig benötigt ein Second Life Avatar einen virtuellen Dell PC. Schön übertrieben seitens der Medien mit dem Schlagwort "Massenauszug", ohne Ahnung zu haben, oder nachzuforschen, wo der Fehler für den mangelnden Erfolg liegen könnte, nämlich nicht bei Second Life selbst.
Aussterben, Untergang, Ende, das Aus. Liebe Medienvertreter. In einer Jahreszeit in der sich die nördliche Erdhalbkugel im kollektiven Urlaubs- und Ferienrausch befindet, einfach mal den Sommer genießt, da ist ein Rückgang der aktiven Userzahlen um 2,5% das Aus? Onlinegame Klassenprimus World of Warcraft hat seit Februar über 650.000 Accounts verloren, also ein Rückgang um fast 8%. Mit welchem dramatisch klingenden Begriff müsste man da ansetzen?
Second Life dagegen verzeichnet kein Ende der Neuregistrierungen. Im Moment liegt die Zahl der Registrierungen bei knapp 8,2 Millionen und jeden Tag kommen 30000 bis 35000 Neuzugänge dazu, die Tendenz ist sogar steigend.
Den falschen Tatsachen und schlampig recherchierten Fakten wird aber noch mit Aussagen wie "Second Life bekommt Konkurrenz von Barbie Girls" eins drauf gesetzt.
Zur Erklärung. Barbie Girls ist ein 3D Chat komplett in Flash ohne eigene Game Engine, ohne die Möglichkeit selber Content zu integrieren, ohne eigene Volkswirtschaft, für eine Zielgruppe die wohl eher bei 8 bis 12 jährigen Mädchen zu finden ist. Wie man das als ernsthafter Journalist mit einem Metaversum wie Second Life vergleichen kann, ist mir ein Rätsel. Aber es wird auch hier bestimmt in den nächsten Wochen noch weitere "fachkundige" Schreiberlinge geben, die auch über die pinke Hoffnung der virtuellen Welten schreiben und vielleicht gehen die ja etwas mehr darauf ein, wo man hier eine Ähnlichkeit mit Second Life zu suchen hat, außer dass es sich um eine Multiuser Plattform im Web handelt.
Anmerken sollte man noch, dass Linden Lab bisher noch keine massive Werbeaktion für sein Produkt Second Life unternommen hat, im Gegensatz zu anderen Anbietern. Auch ist Second Life in Sachen Transparenz der Zahlen und Statistiken, wohl in diesem Segment der einzige Anbieter, der mit solchen Daten so offen umgeht und sie allen frei zur Verfügung stellt. Eine genauere Recherche dieser Zahlen, würde sicherlich mehr zur Glaubhaftigkeit einiger Sensationsjournalisten beitragen, als das kollektive abschreiben einer mit Fehlern bestückten Pressemitteilung.
MfG, Silvio Interflug
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